Montag, 26. Juni 2023

Halb gewickelt, ist schlecht regiert

 „Etwas im Wickel haben“ - Bildlich gesprochen ein Band, das fest um eine Person oder einen Gegenstand herum gewickelt ist. Wenn also Bundeskanzler Olaf Scholz wie am Donnerstag vor Medienvertretern in Chemnitz sagt, man habe die Zukunft im Wickel, bekommt so ein flappsiger Spruch wie ebendieser dann doch eine größere Bedeutung. Zumindest hier im Osten, wo die Umfragewerte derzeit ins Blaue schauen. 

Getroffen hat Olaf Scholz diese Wortwahl beim Thema Wasserstoff, das vor allem in Ostdeutschland künftig eine entscheidende Rolle bei der Energieversorgung spielen wird - sei man hier doch, was erneuerbare Energien anbelangt, im Vorsprung gegenüber den westdeutschen Ländern, wie die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD) beim Treffen der Ost-Ministerpräsidenten deutlich machte.

Nun könnte es für den einen oder anderen durchaus positiv klingen, wenn der Kanzler an der Zukunft festhält, sie seinen Worten nach, sicher im Wickel glaubt.  Doch hat der Bund die nächsten Jahre wirklich fest im Wickel? Oder verwickelt sich die Regierung nicht eher gerade doch in ihrem Ziel, Deutschland als klimaneutrale Volkswirtschaft in der Welt zu etablieren? 

Mittelständische Unternehmen, die ihre Industriestandorte ins Ausland verlagern wollen, eine überbordende Bürokratie und zu wenig Vertrauen in die arbeitende Bevölkerung. Das ist die Ausgangslage, mit der Olaf Scholz letzte Woche nach Chemnitz gekommen ist. In eine Stadt, Region und in ein Bundesland, das aus Machern hervorgegangen ist. Hier trifft Politik auf Alltag - Wirklichkeitsfremde Vorstellungen auf Pragmatismus. Natürlich hat beim Besuch des SPD-Politikers keiner der Anwesenden mit fetten Schecks und vielen Versprechungen, die eh nicht alle eingehalten werden können, gerechnet. Auch hat nicht nur der Bund Versäumnisse einzuräumen, ebenso die Länder können sich nicht ganz der Verantwortung der letzten Jahre entziehen. Doch eine Lehrstunde in Futur II, Appetit auf Wickelklöße und zu meiner Enttäuschung, Journalisten, die ihre Chance auf Fragen zur derzeitigen Situation im Osten nicht nutzen, sind bei derartigen Polit-Besuchen mit Seltenheitstatus fehl am Platz. 


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