Mittwoch, 3. November 2021

Die gescheiterte Romantikerin

 She was a wild, wicked slip of a girl. She burned too brightly for this world."
 ~ Emily Brontë ~  Sturmhöhe

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Wenn man sie alle gelesen hat, von  Brontë bis Austen - Eichendorff bis Novalis - selbst den rührseligsten Roman -  glaubt man zu wissen, was es heißt, zu lieben. Wie oft ertappe ich mich beim Lesen, wenn ich fast schon verschmelze mit den Hauptfiguren, ich liebe es, mich in die Geschichten hineinzufühlen, sie vollkommen aufzusaugen. Die Realität um mich herum spielt dann keine Rolle mehr. Wir fantasieren, geben uns deren Leben völlig hin. Inzwischen habe ich aufgehört zu zählen, wie viele es sind.  Bis? Ja, bis wohin? Ich schätze mal, bis uns genau diese echte Welt wieder zurückholt. 

Wohin aber verschwinden unsere Fantasien? Sprechen wir sie wirklich laut aus? Nein, wir schlucken sie hinter, etwa wie ein Cocktail, viel zu süß, aber verdammt lecker. Die Wirkung des Alkohols bekommen wir hingegen erst später zu spüren, wenn der Kater uns eingeholt hat. Das Gefühl, völlig frei in seinen Fantasien zu sein, sich allem hinzugeben, das ist hinter all den Romanfiguren versteckt. Warum? Die Antwort ist so leicht, dass sie schon wieder schwer ist. Sie ist reine Rhetorik und doch ein Widerspruch ins sich, ein Oxymoron. Eine Antwort auf die Frage, die wir uns einbilden zu glauben. 

Aber definiert sich Romantik wirklich nur darin, den anderen und sich selbst in Sicherheit zu wiegen, in dem man ihm früh beim Verlassen der Wohnung noch schnell einen Kuss auf die Lippen drückt oder Blumen schenkt. Der Großteil der  Beziehungen besteht aus Vertrauen und dem „Savety First-Modul“. Was ist aber mit L, wie Lust? I, wie Intim, mit E, wie Egoistisch, was ist mit B, wie Begierde und E, wie Einzigartig? Eine Liebe, die nicht bloß, wie in allen romantischen Klassikern, aufhört, wenn der Alltag sie auffrisst, sondern eine Liebe, die nie aufhört, auch wenn der Rauch der Flammen versucht, sie zu ersticken? 

Ist es toxisch zu glauben, ich kann beides haben,  die alles verzehrende Leidenschaft UND eine Liebe, die Geborgenheit verspricht? Ich möchte das, was ich inzwischen habe, nicht wieder hergeben. Jemand, der mich wirklich liebt, der mich nimmt, wie ich bin. Aber bin ich wirklich so? Was ist aus der Person geworden, die ich vor ihm war? Die Erinnerungen an die Zeit davor, die inzwischen immer wieder aufblitzen, zeigen mir, sie ist noch da. Es sind diese kleinen 15 Prozent, das Gefühl, begehrt zu werden, sich voll und ganz hinzugeben, die das Glück zu 100 Prozent komplett machen würden. Aber gibt es eine Welt, in der beides gleichzeitig existieren kann? Kann der Mann, der einem Sicherheit gewährt, auch derjenige sein, mit du den wahnwitzigsten Sex deines Lebens hattest? 

Blinder Aktionismus ist kein Politik-Ersatz

Für den Anfang ein Gedankenspiel: Nehmen wir an, die Ampel-Regierung agiert mit Vernunft, Respekt und Einsicht. Sie hat die Fähigkeit, Meinu...